Crocidura leucodon

Feldspitzmaus (Crocidura leucodon)

Name: Crocidura leucodon (Hermann, 1780); Feldspitzmaus (D); Bi-colored white-toothed shrew (E)
Internationaler Schutz: Berner Konvention (Anhang III)
Größe: Kopf-Rumpf: 57–80 mm; Hinterfuß: 11–13,5 mm; Schwanz: 28–38 mm; Gewicht: 7–13 g.
Fell: Rücken: graubraun bis grauschwarz mit metallischem Glanz der Haarspitzen; Bauch: weiß; Ober- und Unterseite scharf abgegrenzt; Junge und adulte Tiere gleich gefärbt.
Ohren: Ohren groß und deutlich sichtbar aus dem Fell ragend.
Schwanz: Scharf getrennt: oben dunkel und unten hell; wenig abstehende Wimpernhaare; Unterseite abgeflacht; immer kürzer als die halbe Kopf-Rumpflänge.
Verbreitung: Europa und Westasien; Österreich: mit Ausnahme Tirols in allen Bundesländern; Deutschland: Fehlt nur im Nordwesten und Nordosten; Schweiz: Ostschweiz und südlich der Alpen; Mehr Info: GeoMaus-Karte. Höhenverbreitung: In Österreich unter 700 m, in anderen Alpenländern oft bis 1.100 m in Bulgarien 1.500 m.
Lebensraum: Sie ist an kontinentales Steppenklima mit offener, waldloser Vegetation angepasst und besiedelt offene Kulturlandschaften. Besonders im Winter in Siedlungsnähe.
Lebenserwartung: Vermutlich ähnlich der Hausspitzmaus (Crocidura russula), in Gefangenschaft betrug das Höchstalter 3 Jahre und 10 Monate.
Ähnliche Arten: Die Feldspitzmaus kann anhand ihrer Färbung gut von Haus– und Gartenspitzmaus (Crocidura suaveolens) unterschieden werden.
Systematik: Ordnung: Spitzmausartige (Soricomorpha) → Familie: Spitzmäuse (Soricidae) → Unterfamilie: Weißzahnspitzmäuse (Crocidurinae) → Gattung: Weißzahnspitzmäuse (Crocidura)

Lebensraum

Die Feldspitzmaus besiedelt ähnliche Lebensräume wie die Hausspitzmaus, wobei sie weniger an eine deckende Krautschicht gebunden ist und bevorzugt Gebiete mit geringer Humidität bewohnt. Im Vergleich zur Gartenspitzmaus (C. suaveolens) ist sie an ein kontinentales Steppenklima mit offener, waldloser Vegetation angepasst, wo sie an trockenen Standorten auf Kalk- oder Sandboden mit hoher Sonneneinstrahlung zu finden ist. In Kulturlandschaften ist sie häufig in tiefen Lagen auf Wiesen, Feldern, Trockenrasen, Bahndämmen, Sand- und Kiesgruben, Ruderalfluren, bei Straßenböschungen und Hecken sowie in Gärten anzutreffen. Entlang von Bächen und Seen ist sie nur beim Vorhandensein von Gebüschen zu beobachten. Wälder bewohnt sie ausschließlich, wenn diese licht und trocken sind. In großen, feucht-kühlen Waldgebieten fehlt sie. Die Feldspitzmaus kann oft in Siedlungsnähe beobachtet werden, vor allem im Winter sucht sie gerne Gebäude auf. Sie ist dabei auch in der Lage Städte erfolgreich zu besiedeln. So konnten in München zwischen 1989 und 2001 11 Individuen in Wohn- und Bürogebäuden nachgewiesen werden. Ein Beispiel verdeutlicht ihre Anpassungsfähigkeit recht anschaulich: In einer Wohnung lebte eine Feldspitzmaus von März bis September, indem sie sich am Hundefutter bediente und Wasser aus dem Aquarium trank. Für eine erfolgreiche Überwinterung benötigen die Tiere schutzbietende Landschaftsstrukturen wie Gebäude oder Gebüsche. Sie sind zudem an warmes Wetter gebunden, weswegen selbst kurzfristige Klimaschwankungen bereits eine Arealveränderung bewirken.

Lebensweise

Aktivität und Fortbewegung: Feldspitzmäuse sind überwiegend nachtaktiv. Nur bei erhöhtem Nahrungsbedarf, wie er bei Kälte zur Wärmeproduktion vorherrscht oder bei trächtigen Weibchen gegeben ist, können die Tiere auch am Tag beobachtet werden. Wie die Hausspitzmaus und Gartenspitzmaus kann sie bei niedrigen Außentemperaturen in Lethargie (Torpor) fallen, um Energie zu sparen. Dabei senkt sie die Körpertemperatur auf 18 °C und passt ihren Herzschlag auf 60 Schläge in der Minute an. Auf diese Weise kann sie bei einer Außentemperatur von 20°C bis zu 80 % Energie einsparen. Der Nachteil dieser physiologischen Anpassung ist ihre Bewegungseinschränkung mit völlig fehlender Fluchtreaktion. In ihrer Aufwachphase steigt die Temperatur um 0,5 °C bis 0,9 °C pro Minute an. Auch sonst besitzt sie wie alle Weißzahnspitzmäuse eine niedrige Körpertemperatur. Mit der geringen Körpertemperatur von nur 34 °C ist sie in der Lage sehr warme Lebensräume zu besiedeln, welche von anderen Spitzmausarten gemieden werden. Ihre hohe Lebenserwartung von bis zu 3 Jahren und 10 Monaten verdankt sie ebenfalls ihrem niedrigen Stoffwechselniveau. Sie ist ein guter Läufer und Schwimmer und ist im geringen Ausmaß fähig zu klettern und zu springen. Besonders geschickt erweist sie sich bei der Bewegung in spaltenreichen Habitaten, so kann sie in noch engere Öffnungen schlüpfen als die Hausspitzmaus.

Territoriales Verhalten und Reviergröße: Feldspitzmäuse zeigen ein territoriales Verhalten, Drohgebärden und Bissverletzungen gegenüber Artgenossen sind nicht ungewöhnlich. Fremde Spitzmäuse drohen einander mit aufgerissenem Maul, erhobenem Kopf und schrillen, durchdringenden kurzen Lauten. Einander bekannte Tiere, besonders Weibchen und Männchen, tolerieren sich. Bei Begegnungen zwitschern und beschnüffeln sie sich gegenseitig und gelegentlich werden Nester gemeinsam genutzt. Individuen erkennen einander auch noch nach mehreren Tagen der Trennung.

Kommunikation und Orientierung: Der Riechsinn spielt eine entscheidende Rolle in der Beziehung zwischen den Artgenossen und in der Raumaufteilung. So können zum Beispiel adulte Männchen 70 verschiedene Duftmarkierungen setzen. Diese Spuren geben Auskunft über Geschlecht, sozialen Status und Reviergrenzen einzelner Individuen. Über die Lautäußerungen der Hausspitzmäuse ist wenig bekannt. Jungtiere verwenden ein leises Fiepen in rhythmischer Ruffolge (si-si-si) als Ausdruck des Verlassenseins. Zudem können Abwehrschreie von 11,4 kHz sowie Lautäußerungen bei Störungen der Lethargiephase beobachtet werden. Obwohl Ultraschalllaute von 20 – 46 kHz gemessen wurden, wird nicht angenommen, dass diese wie bei anderen Spitzmausarten zur Echopeilung dienen. Da sie schlecht sieht, nutzt sie vermutlich in erster Linie ihre Tasthaare zur Erkundung unbekannter Gebiete. Zudem scheint sie sich räumliche Gegebenheiten gut merken zu können und sich danach erfolgreich zu orientieren.

Bau: Meist verbringt die Feldspitzmaus ihre Ruhephasen zwischen loser Vegetation oder sucht trockene, geschützte Standorte wie Heuhaufen auf. Sie legt nur zur Jungenaufzucht und bei Kälte ein flaches Nest in Form einer Hohlkugel mit zwei Ein- bzw. Ausgängen an. Es besteht in der Regel aus trockenen und frischen Grashalmen.

Fortpflanzung und Population

Die Paarungszeit der Feldspitzmaus beginnt im April und dauert bis September, wobei Einzelbeobachtungen von einer gelegentlichen späteren Vermehrungen bis November zeugen. Während der Fortpflanzungszeit kann eine Paarbildung beobachtet werden. 2–3 Mal im Jahr werden nach einer Tragzeit von 31–33 Tagen 3–8 Jungen geboren. Bereits nach wenigen Tagen verlassen die Jungen das Nest. Durch Schreie ihres Nachwuchses animiert trägt das Weibchen diese unverzüglich mit ihrem Maul wieder zurück. Nach 7 Tagen ändert sich ihr Verhalten und wie bei der Haus– und Gartenspitzmaus ist die Bildung sogenannter „Karawanen“ zu beobachten. Vom Muttertier angeführt beißen sich die Jungen an der Schwanzwurzel des Vordertieres, sodass eine Art „Gänsemarsch“ entsteht. Diese Art der Fortbewegung ermöglicht einen sicheren Umzug in ein neues Nest oder die Rückführung entlaufener Jungtiere. Nach 18 Tagen endet diese Art der Fortbewegung. Im Gegensatz zu Haus– und Gartenspitzmäusen sind Feldspitzmäuse erst im Alter von 26 Tagen entwöhnt und nach 30 Tagen selbstständig. Jungtiere werden noch im selben Jahr geschlechtsreif und nehmen an der Fortpflanzung teil. Besonders in ihrem nördlichen und westlichen Verbreitungen treten Populationsschwankungen auf.

Nahrung

Die Feldspitzmaus ernährt sich überwiegend von Beutetieren an der Bodenfläche wie Regenwürmer, Schnecken, Asseln, Spinnen, Weberknechten, Insekten und Larven. In der Slowakei fraß sie vor allem Larven der Haarmücke (Bibionidae). Wenn sich ihr die Gelegenheit bietet, verzehrt sie auch junge Feldmäuse (Microtus arvalis) sowie tote Kleinsäuger. In Gefangenschaft frisst sie ausschließlich nachts. Vor allem bei Massenvermehrungen von Feldspitzmäusen werden viele Jungtiere dieser Art von Spitzmäusen erbeutet.

Gefährdung und Schutz

Bereits in den 70er und 80er Jahren wurden Rückgänge der Feldspitzmaus in Europa beobachtet. Die damals beschriebenen Ursachen: Veränderung des Klimas, des Nahrungsangebotes (insbesondere durch den Einsatz von Insektiziden) sowie die anthropogene Landschaftsveränderung sind auch heute noch als Gefährdungsursachen anzusehen. Innerhalb ihres europäischen Verbreitungsgebietes wird sie zudem von der Hausspitzmaus Crocidura russula verdrängt. Wie bei vielen Kleinsäugern ist der Schutz ihrer Lebensräume, im Falle der Feldspitzmaus die Erhaltung und Wiederherstellung von Ödland, vermutlich am effektivsten um ihren Rückgang zu stoppen.

Konkurrenz und Feinde

Die Feldspitzmaus ist der Hausspitzmaus körperlich unterlegen, weswegen sie deren Vorkommensgebiete meidet.
Für Vögel, insbesondere Schleiereulen (Tyto alba), Waldkäuze (Strix aluco), Waldohreulen (Asio otus) und Steinkäuze (Athene noctua), bildet sie eine wichtige Nahrungsquelle. Säugetiere fressen vergleichsweise selten Feldspitzmäuse, wobei sie vor allem von Iltissen (Mustela) erbeuten werden.

Literatur
  • Genoud, M. (1995): Crocidura leucodon (Hermann, 1780). In: Die Säugetiere der Schweiz: Verbreitung, Biologie und Ökologie  (Hrsg.: J. Hausser). 58-61. Birkäuser Verlag, Basel.
  • Grimmberger, E. (2014): Die Säugetiere Deutschlands. Quelle & Meyer, Wiebelsheim.
  • Frank, F. (1954): Zur Jugendentwicklung der Feldspitzmaus (Crocidura leucodon Hermann, 1780). Bonner Zoologische Beiträge, 5, 173-178.
  • Jenrich, J., Löhr, P.-W., & Müller, F. (2010): Kleinsäuger: Körper- und Schädelmerkmale, Ökologie. Beiträge zur Naturkunde in Osthessen (Hrsg. Verein für Naturkunde in Osthessen e.V.). Michael Imhof Verlag, Fulda.
  • Kapischke, H.-J. (2009): Feldspitzmaus Crocidura leucodon (Hermann, 1780). In: Atlas der Säugetiere Sachsens  (Hrsg.: S. Hauer, H. Ansorge & U. Zöphel). 104-106. Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden.
  • Kraft, R. (2008): Mäuse und Spitzmäuse in Bayern: Verbreitung, Lebensraum, Bestandssituation. Ulmer Verlag, Stuttgart.
  • Krapp, F. (1990): Crocidura leucodon (Hermann, 1780) – Feldspitzmaus. In: Handbuch der Säugetiere Europas: Insektenfresser, Herrentiere  (Hrsg.: J. Niethammer & F. Krapp). Band 3/1 465-484. Aula Verlag, Wiesbaden.
  • Lugon-Moulin, N. (2003): Les musaraignes: Biologie, écologie, répartition en Suisse. Porte-Plumes Verlag, Ayer.
  • Mitchell-Jones, A. J., Amori, G., Bogdanowicz, W., Kryštufek, B., Reijnder, P. J. H., Spitzenberger, F., Stubbe, M., Thiessen, J. B. M., Vohralik, V., & Zima, J. (1999): The atlas of European Mammal. Academic Press, London.
  • Spitzenberger, F. (1985): Die Weißzahnspitzmäuse (Crocidurinae) Österreichs, Mammalia austriaca 8 (Mammalia, Insectivora). Mitteilungen der Abteilung für Zoologie am Landesmuseum Joanneum, 35, 1-40.
  • Spitzenberger, F. (2001): Die Säugetierfauna Österreichs. Grüne Reihe des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Band 13. Austria Medien Service, Graz.
  • Stefen, C. (2009): Feldspitzmaus Crocidura leucodon. In: Atlas der Säugetiere Thüringens  (Hrsg.: M. Görner). 98-99. Arbeitsgruppe Artenschutz Thüringen e. V. und Landesjagdverband Thüringen e. V., Jena.
  • Nagel, A., & Nagel, R. (2005): Feldspitzmaus Crocidura leucodon (Hermann, 1780). In: Die Säugetiere Baden-Württembergs  (Hrsg.: M. Braun & F. Dieterlen). 90-96. Ulmer, Stuttgart.
  • Stüber, E. (2011): Die Feldspitzmaus Crocidura leucodon (Hermann 1780), ein neues Säugetier für das Bundesland Salzburg. Mitteilungen aus dem Haus der Natur Salzburg, 19, 120-121.

Autoren: Dr. Christine Resch & Dr. Stefan Resch
Zitiervorschlag: Resch, C. & Resch, S. (2023): kleinsaeuger.at – Internethandbuch über Kleinsäugerarten im mitteleuropäischen Raum: Körpermerkmale, Ökologie und Verbreitung. apodemus – Institut für Wildtierbiologie, Haus im Ennstal.