Kleinohrigel
Weißbrustigel & Braunbrustigel
Größe Braunbrustigel (Erinaceus europaeus): Kopf-Rumpf: 155-300 mm; Hinterfuß: 40–52 mm; Schwanz: 10–49 mm; Ohrlänge: 20–37, Gewicht: 450–1400; Weißbrustigel (Erinaceus roumanicus): Kopf-Rumpf: 170–280 mm; Hinterfuß: 30–45 mm; Schwanz: 15–40 mm; Ohrlänge: 20–25, Gewicht: 240–1200
Stachel Braunbrustigel: 8100–8700, 17,4–21,9 mm, hell-dunkel gebändert, Spitze meist dunkel; Weißbrustigel: 6350–6650, 14,4–21,9, meist 3 dunkle und 3 helle Binden
Augen/Ohren: Augen mittelgroß; Ohrmuscheln ragen kurz und rund aus dem Fell hervor
Schwanz: kurzer Schwanz
Lebensraum: Laub und Mischwälder, Parks und Gärten, meidet große Offenflächen und Feuchtgebiete. Hohenverbreitung bis 1200 m (Braunbrustigel) bzw. 1400 m (Weißbrustigel)
Lebenserwartung: meist 1,5–2 Jahre, hohe Jugendsterblichkeit, in Haltung maximal 11 Jahre und 8 Monate
Verwechslungsgefahr: Braunbrustigel: Brustmitte dunkelbraun bis graubraun, Kopfoberseite meist mit keilförmigem, dunklem Fleck. Zwischen Auge und Nase V-förmige, dunkle Zeichnung. Weißbrustigel: Brustmitte weiß. Kopfoberseite einheitlich dunkel oder mit hellem Fleck
Systematik: Ordnung: Insektenfresser (Eulipotyphla) → Familie: Igel (Erinaceidae) → Unterfamilie: Stacheligel (Erinaceinae) → Gattung: Kleinohrigel (Erinaceus)
Das auffälligste Merkmal des Braunbrustigels ist sein Kleid aus ca. 8400 hell-dunkel gebänderten und 2–3 cm langen, hohlen Stacheln, welche aus Keratin bestehen und im Grunde veränderte Säugetierhaare sind. Der Nördliche Weißbrustigel besitzt davon nur ca. 6500, zudem sind diese mit 2 cm etwas kürzer. Brust, Kehle, Bauch und Beine sind bei beiden Arten stachelfrei. Braunbrustigel zeigen eine dunkle Fellzeichnung strichförmig beidseits der Nase bis über die Augen, hinter den Augen findet sich eine hellere Zeichnung. Beim Nördlichen Weißbrustigel ist der Kopf meist einheitlich dunkelbraun oder graubraun. Auf der Mitte der Brust findet sich der jeweils namensgebende dunkelbraune bis hellbraune bzw. weiße Fleck. Der Schwanz ist mit höchstens 5 cm relativ kurz. Das Gewicht variiert je nach Alter und Jahreszeit stark und liegt zwischen 240 und 1400 g. In Größe und Fellzeichnung gibt es zwischen männlichen und weiblichen Individuen keine merkbaren Unterschiede.
Igel bewohnen bevorzugt strukturreiche, extensiv genutzte Landschaften und profitieren besonders vom Nahrungsreichtum entlang von Hecken, dichten Laubwaldrändern und Feldgehölzen. Großflächig offene Landschaften, Felder, Feuchtgebiete und Wälder ohne ausreichende Deckungsmöglichkeiten durch eine ausgeprägte Kraut- oder Grasschicht werden gemieden. Da natürliche Heckenlandschaften zunehmend verschwinden, hat der Igel als Kulturfolger den menschlichen Siedlungsraum mit reich strukturierten Gärten, Rasen und Wiesenflächen und Parks erobert, und kann hier hohe Individuendichten erreichen. Seine Höhenverbreitung reicht bis 1400 m.
Aktivität und Fortbewegung: Der erwachsene Igel lebt üblicherweise als dämmerungs- und nachtaktiver Einzelgänger und kann in einer Nacht mehrere Kilometer zurücklegen. Während ihrer Streifzüge zeigen sich Igel geschickt beim Überwinden von Hindernissen. Sie erklettern kleine Mauern und lassen sich unter Einsatz ihrer abgespreizten Stacheln als Stoßdämpfer auf der anderen Seite herunterfallen, zwängen sich durch kleine Spalten und Löcher, oder überqueren schwimmend Tümpel und Bäche. Trotz der kurzen Beine können Igel erstaunlich schnell laufen (60–120 m/min).
Aktionsraum: Der Aktionsraum beträgt bei weiblichen Tieren rund 33 ha und bei Männchen bis über 100 ha. Besonders während einer einmonatigen Phase nach dem Winterschlaf streifen Igel weit umher.
Kommunikation und Orientierung: Der Sehsinn ist nur gering ausgeprägt, der Igel kann kaum Farben wahrnehmen. Da dieser in der Nacht und im dichten Unterholz ohnehin wenig hilfreich ist, verlässt er sich stärker auf seine anderen Sinne. So kann er trotz der kleinen Ohren gut hören, insbesondere in dem für den Menschen nicht mehr wahrnehmbaren Ultraschallbereich über 20 kHz. Diese Fähigkeit nutzt er in der Kommunikation und zur Beutesuche. Der Geruchssinn ist für das Aufstöbern von Nahrung, zur Orientierung und zur Unterscheidung von Feinden und Artgenossen oder Sexualpartnern besonders wichtig. Die Schnauze ist spitz und wie ein kleiner Rüssel beweglich. In der Mund und Augenregion sowie im Analbereich befinden sich Drüsen zur Produktion von Geruchsstoffen. Am Kopf finden sich lange Tasthaare, die ihm ein Bild der direkten Umgebung vermitteln.
Einspeicheln: Ungewöhnlich zu beobachten ist das sogenannte »Einspeicheln«. Diese angeborene Verhaltensweise wird sowohl von adulten Tieren in der Paarungszeit als auch von Jungtieren, welche aus dem Nest entfernt wurden, gezeigt. Die Igel beginnen scheinbar plötzlich mit einer intensiven Schaumbildung im Maul. Dieser Schaum wir vom Igel mit der Zunge auf das Stachelkleid verteilt. Auch bei Igeln, die mit starken Gerüchen konfrontiert werden, tritt dieses Verhalten auf. Die Gründe dafür sind nicht eindeutig bekannt, vermutet werden Sexuallockstoffe, individuelle Duftmarken oder der Einsatz giftiger Substanzen im Speichel zur Steigerung der Abwehrwirkung der Stacheln.
Winterschlaf: Der Schutz vor der Witterung und ein gutes Versteck vor Feinden sind für Igel überlebensnotwendig. Sie bauen 3 unterschiedliche Arten von Nestern: In der aktiven Zeit vom Frühjahr bis zum Herbst nutzen sie einfach gebaute oberirdische Tagesnester in Hecken, Gebüschen oder unter Reisig- und Steinhaufen. Zur Jungenaufzucht baut das Igelweibchen ein mit einer dichten Blätterschicht ausgelegtes Aufzuchtnest, welches bei Störung unverzüglich aufgegeben wird. Sobald im Herbst die Temperaturen sinken, bauen Igel ihre gut isolierten Winternester aus Laub, Gras und Moos. Diese werden in gut geschützten Bereichen, wie im dichten Unterholz, in Hecken oder in Komposthaufen angelegt. Manchmal nutzt der Igel dazu auch Erdbaue anderer Tiere oder er gräbt und erweitert kleine Erdhöhlen. Ein Igel besitzt bis zu drei solcher Nester, zwischen denen er im Winter wechseln kann. Im Spätsommer und Herbst beginnen die Igel damit, sich auf den kommenden Winter vorzubereiten. In dieser Zeit fressen sie sich die notwendigen Fettreserven für den Winterschlaf an und können dabei ihr Gewicht fast verdoppeln.
Je nach Witterung erstreckt sich die Paarungszeit von Mitte April bis August. In dieser Zeit sind die Männchen aktiv auf der Suche nach geschlechtsreifen weiblichen Tieren. Ist eine potentielle Partnerin gefunden, beginnt das Paarungsritual, bei dem das Weibchen intensive Gegenwehr mit fauchenden Lauten und dem Einsatz der Stacheln zeigt. Durch beharrliches Werben und männliche Sexualduftstoffe gerät das Weibchen schließlich in Paarungsstimmung. Kurz nach der Paarung verlässt das Männchen das Weibchen und macht sich umgehend auf die Suche nach weiteren Partnerinnen. Ebenso können sich die Weibchen mit verschiedenen Männchen paaren, was die Wahrscheinlichkeit einer Befruchtung erhöht. Durch die kurze Aktivitätszeit ist in Mitteleuropa nur ein Wurf pro Jahr zwischen Juni und Oktober üblich. Nach einer Tragzeit von 32–36 Tagen kommen 4–5 nackte und blinde Jungigel zur Welt. Die ersten weichen Stacheln sind zu diesem Zeitpunkt bereits unter einer Hautschicht vorhanden, aber äußerlich noch nicht erkennbar. In den Tagen nach der Geburt entstehen 2 weitere Stachelgenerationen, welche allesamt nach dem 40-50 Lebenstag ausfallen. Mit 20–30 Tagen beginnt das Dauerkleid zu wachsen, welches dem Igel sein charakteristisches Aussehen verleiht. Nach ca. 2 Wochen öffnen die jungen Igel die Augen und bereits ab der 3–4 Woche begleiten sie das Muttertier auf Nahrungssuche, wobei sie von dem erwachsenen Tier überlebenswichtige Verhaltensweisen und Jagdstrategien lernen. Bis zum 40. Tag werden die Jungigel noch gesäugt, nach 7-8 Wochen sind sie selbständig, verlassen die Mutter und wandern in ein eigenes Gebiet ab. Igel werden mit dem Alter von 9–10 Monaten geschlechtsreif. In der freien Natur erreichen sie ein Höchstalter von rund 7 Jahren, das Durchschnittsalter liegt aufgrund der hohen Jugendsterblichkeit aber bei nur 1,5–2 Jahren.
Der Igel ist ein Jäger mit einem effektiven Magen-Darm-Trakt, wodurch er unterschiedliche Nahrungsquellen nutzen und eine Vielzahl von Lebensraumtypen besiedeln kann. Auf seinem Speiseplan stehen vor allem Insekten und deren Entwicklungsstadien. Regenwürmer, Frösche, Eidechsen, Eier und Vogelküken sowie junge Mäuse werden ebenfalls gefressen. Erwachsene Mäuse sind zu geschickt, um erbeutet zu werden, und Spitzmäuse werden, wie auch von den meisten anderen Beutegreifern, gemieden. Auch Schlangen werden erlegt, wobei das Stachelkleid effektiv vor Bissen schützt. Darüber hinaus sind Igel gegen das Schlangengift (z.B. Kreuzotter) immun. Sein Geschick bei der Schlangenjagd spiegelt sich auch in seinem Namen wieder: »Igel« stammt wahrscheinlich von dem indoeuropäischen Wort »eghi«=Schlangenfresser ab. In der Nähe von Behausungen nutzt der Igel auch menschliche Speisereste. Pflanzen und Früchte spielen hingegen eine untergeordnete Rolle, auch das Bild des Igels, welcher Äpfel und Birnen auf seinen Stacheln abtransportiert, entspringt dem Märchen. Je nach Angebot seines Lebensraumes nutzt er gezielt diejenige Nahrung mit dem höchsten Energiegehalt, was besonders zur Anlage der Fettreserven im Herbst wichtig ist.
Zur Verteidigung bei direkter Konfrontation kann sich der Igel dank des Zusammenwirkens verschiedener Muskelstränge zu einer stacheligen Kugel zusammenrollen und stundenlang in dieser Position verharren. Obwohl Igel durch diese Fähigkeit gut geschützt sind, haben sie natürliche Feinde. Marder, Füchse und Dachse können ihnen gefährlich werden und großen Greifvögeln wie dem Uhu gelingt es, mit Ihren langen Fängen den Stachelpanzer zu durchdringen. Selbst kleinere Tiere machen dem Igel das Leben schwer: Parasiten wie Zecken, Flöhe und Milben nutzen die Zwischenräume des Stachelkleids als Lebensraum und können vom Igel selbst kaum entfernt werden. Für einen gesunden Igel bedeuten die Parasiten normalerweise keine akute Gefährdung, anders verhält es sich hingegen für kranke und geschwächte Tiere. Auch die Zeit des Winterschlafs ist für viele Igel eine schwierige Phase, sei es aufgrund eines schlecht isolierten Nestes oder zu geringer Fettreserven. Während des Tiefschlafs sind sie zudem anderen Beutegreifen wehrlos ausgeliefert. All diese natürlichen Gefahren können den Bestand einer gesunden Igelpopulationen jedoch nicht gefährden.
Fühlt sich ein Igel bedroht, geht er in Abwehrhaltung über, zieht den Kopf ein und stellt die Stirnstacheln auf. Somit wirkt der Kopf runder und kürzer. Wenn die Gefahr vorüber ist, streckt er den Kopf wieder langsam heraus und legt seine Stacheln flach an. Dies ist auch der Grund, warum sich in der Vergangenheit das falsche Bild der sogenannten Hunds- und Schweinsigel als verschiedene Arten bildete.
Obwohl sich der Igel im Wirkungsbereich des Menschen etabliert hat, führt die zunehmende Nutzungsintensität zu einem Rückgang der für den Igel notwendigen naturbelassenen Strukturen. Ehemals gut geeignete kleinstrukturierte Lebensräume mussten nicht selten großräumigen Landwirtschaftsflächen oder dem Siedlungsbau weichen. Der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und in Gärten reduziert nicht nur die Nahrungsgrundlage, sondern ist auch für den Igel selbst schädlich.
Eine weitere Gefährdungsursache stellt das stetig zunehmende Verkehrsaufkommen auf unseren Straßen dar. In den meisten Fällen betrifft dies männliche Tiere, da sie besonders während der Paarungszeit sehr aktiv sind. Auch das Verbrennen von Reisig- oder Laubhaufen ohne vorhergehendes Umsetzen ist ein Risiko für alle Tiere, die darin ihre Nester und Tagesverstecke anlegen. Dazu kommen unbeabsichtigte Fallen in den Gärten, wie Kellerschächte oder künstliche Teiche ohne Ausstiegsmöglichkeit. Die Zeiten, in denen er noch als Fastenspeise genutzt wurde [5], dürfte der Igel hingegen überstanden haben.
- Hausser, J. (1995). Saugetiere der Schweiz. Birkhäuser.
- Niethammer, J. & Krapp, F. (1990): Insektenfresser-Herrentiere. Aula Verlag, Wiesbaden.
- Hoeck, H. (2005): Igel (Braunbrustigel), Erinaceus europaeus (Linnaeus, 1758). In: M. Braun & F. Dieterlen: Die Säugetiere Baden Württembergs. Stuttgart, Eugen Ulmer GmbH & Co.
- Grimmberger, E. (2014). Die Säugetiere Deutschlands: Beobachten und Bestimmen. Quelle & Meyer, Wiebelsheim.
- Aabel, M. (1897): Regensburger Fastenkochbüchlein. Vollständige Anleitung zur Bereitung von 350 verschiedenen Fastenspeisen, Regensburg. In: Lesniczak, P. (2003). Alte Landschaftsküchen im Sog der Modernisierung: Studien zu einer Ernährungsgeographie Deutschlands zwischen 1860 und 1930 (Vol. 21). Franz Steiner Verlag.
- Broggi, M. F.; Camenisch, D.; Fasel, M.; Güttinger, R.; Hoch, S.; Müller, J. P.; Niederklopfer, P. & Staub, R. (2011): Die Säugetiere des Fürstentums Liechtenstein: (Mammalia). Amtlicher Lehrmittelverlag, Regierung des Fürstentums Liechtenstein, Vaduz.
- Köbler, G. (Hrsg.): Gotisches Wörterbuch. Brill, 1989.
Autoren: Dr. Christine Resch & Dr. Stefan Resch
Zitiervorschlag: Resch, C. & Resch, S. (2023): kleinsaeuger.at – Internethandbuch über Kleinsäugerarten im mitteleuropäischen Raum: Körpermerkmale, Ökologie und Verbreitung. apodemus – Institut für Wildtierbiologie, Haus im Ennstal.