Bilche
Haselmaus (Muscardinus avellanarius)
Name: Muscardinus avellanarius (Linnaeus, 1785); Haselmaus (D); Common dormouse (E)
Internationaler Schutz: FFH-Richtlinie (Anhang IV) und Berner Konvention (Anhang III)
Größe: Kopf-Rumpf: 80–90 mm; Hinterfuß: 15–18 mm; Schwanz: 53–81 mm; Gewicht: 15–30 g, adulte Tiere im Sommer 17–19 g und vor dem Winterschlaf 30 g
Fell: Rücken: orangebraun mit gelben bis goldenen Farbnuancen; Im Bereich Flanken und Maul heller; Unterseite: cremegelb; an Kehle und Brust weißer Fleck der bis zum Bauch reicht; Jungtiere gräulich
Augen/Ohren: kleine Ohren.
Schwanz: nicht ganz körperlang, dicht behaart, gelegentlich „stummelschwänzige“ Tiere aufgrund falscher Schwanzautotomie mit schwarzem oder weißem Haarbüschel.
Verbreitung: Westliche Paläarktis vorwiegend Europa, aber auch N Anatolien; Österreich: Alpenkette und Böhmisches Massiv; Deutschland: im NO weitgehend fehlend; Schweiz: Mittelland, Jurakette, Alpentäler; Mehr Info: GeoMaus-Karte. Ihre Höhenverbreitung erstreckt sich von Meeresniveau bis 1.900 m, mit Schwerpunkt in der submontanen und tiefmontanen Höhenstufe.
Lebensraum: Unterwuchsreiche Mischwälder und strauchreiche Flächen; Reviergröße: Männchen: 0,45–1 ha; Weibchen: 0,14–0,8 ha; Populationsdichte: 1–10 Individuen pro Hektar; 8–10 I/ha bei günstigen Lebensräumen, sonst 3,5 I/ha.
Lebenserwartung: 4–6 Jahre; Wintersterblichkeit 65 %.
Ähnliche Arten: Als kleinster heimischer Bilch leicht an ihrer Größe, ihrem braunen Fell und fehlender Gesichtszeichnung erkennbar. Auch ihre Fellfarbe ähnelt jener der Zwergmaus, ansonsten aber nur wenig Gemeinsamkeiten, vor allem der Schwanz ist bei der Haselmaus viel stärker behaart.
Systematik: Ordnung: Nagetiere (Rodentia) → Unterordnung: Hörnchenverwandte (Sciruromorpha) → Familie: Bilche (Gliridae) → Unterfamilie: Paläarktische Schläfer (Leithiinae) → Gattung: Haselmäuse (Muscardinus)
Die Haselmaus bevorzugt stufig aufgebaute Laubmischwälder mit durchgehender Besonnung sowie fruchtreichem Unterwuchs. Obwohl ihr Name es vermuten lässt, ist sie nicht nur in Lebensräumen mit Haselnusssträuchern verbreitet, wobei sie hier aufgrund ihrer einzigartigen Bissspuren an Nüssen besonders auffällt. Entscheidend ist die Möglichkeit von Strauch zu Strauch zu klettern, ohne dabei den Boden zu berühren. Zudem muss von Frühling bis Herbst eine ausreichende Nahrungsgrundlage in ihrer Umgebung vorhanden sein. In Aufforstungs- oder Windwurfflächen trifft man sie vor allem während der frühen Sukzessionsstadien an. Wird der Waldbestand durch fortschreitenden Kronenschluss verdunkelt, siedelt die Haselmaus an den Rändern oder wandert ab. Sie ist auch oft in Gewässernähe sowie in feuchten, sumpfigen Wäldern wie in Bruchwäldern zu finden. In den Alpen dringt sie entlang der Gehölzstreifen von Bächen bis in die obere Wald- und Latschenzone vor. Weist ein Kulturland vernetzte und ausreichend dichte Gebüschreihen auf, kann sie selbst diese erfolgreich besiedeln.
An Randlagen von Feuchtwiesen, Hecken und Wäldern sowie entlang von Gewässern entwickelt sich bei eingeschränkter Nutzung ein Saum mit dichtem Pflanzenbewuchs. In der näheren Umgebung von Sträuchern und Bäumen bieten diese Flächen der Haselmaus sehr gut geeignete Lebensräume.Im Gegensatz zu anderen Bilchen können Haselmäuse jedoch äußerst selten und nur bei unmittelbarer Waldnähe auch in Gebäuden angetroffen werden. Im Allgemeinen wird ihr Vorkommen durch Arten- und Strukturarmut sowie eine reduzierte Kraut- und Strauchschicht eingeschränkt.
Aktivität und Fortbewegung: Wie alle Bilche ist die Haselmaus nachtaktiv und verlässt erst nach Sonnenuntergang das Nest. Ihre Aktivitätszeit variiert mit der Jahreszeit und dauert üblicherweise von 3 Uhr Früh bis zur Morgendämmerung. Kurz vor dem Winterschlaf ist sie die Nacht durchgehend aktiv und nur Regen und kalte Temperaturen schränken die Aktivitätsdauer ein. Bei Gefahr verharrt sie zwischen den Ästen, bevor sie langsam nach oben klettert oder sie springt mit gespreizten Beinen auf den Boden. Nach dem Sprung, welcher bereits aus über 3 Metern Höhe beobachtet wurde, verschwindet sie vorsichtig und ohne Hast in der Streuschicht. Sie besitzt ausgezeichnete Kletterfähigkeiten. So ist sie in der Lage den ersten und fünften Zeh fast rechtwinklig abzuspreizen, was ihr ein rasches und sicheres Klettern in Sträuchern oder Bäumen ermöglicht. Den Erdboden meidet sie, da ihr dieser vergleichsweise wenig Schutz vor Feinden bietet. In einigen Studien konnte ein strikt aboreales Verhalten festgestellt werden. So scheint sie bereits schmale Lücken in Hecken zu meiden. Gleichwohl gibt es Beobachtungen von Einzeltieren, die bis zu 50 m offene Bereiche im Wald oder über 500 m landwirtschaftlich genutzte Flächen querten (Büchner, 2008). Hierbei muss jedoch von Ausnahmen ausgegangen werden, welche überdies durch hohe Verlustraten gekennzeichnet sind.
Sommerlethargie und Winterschlaf: Treten ungünstige Bedingungen auf, fallen Haselmäuse in einen lethargischen Zustand, in welchem die Körpertemperatur von durchschnittlich 36,8°C auf 24,7 °C sinkt. Die sogenannte Sommerlethargie (Torpor) wird von Umweltfaktoren wie der Temperatur und der Nahrungsverfügbarkeit beeinflusst. Neben den Ruhephasen im Sommer hält sie von September/Oktober bis März/April einen Winterschlaf. Sinken die Außentemperaturen auf rund 3 bis 5 °C, schläft sie ein und reduziert ihre Körpertemperatur auf 4 °C. Während des Winterschlafes werden Phasen mit eingeschränktem Stoffwechsel (Torporphase) regelmäßig für einige Stunden unterbrochen und die Tiere erreichen ihre normale Körpertemperatur. Als eine Ursache für die energieaufwendigen Aufwachphasen wird der Abbau von Stoffwechselendprodukten angenommen. In der Regel überwintern Haselmäuse einzeln und sind im Frühjahr als Erster unserer heimischen Bilche im Freiland zu beobachten. Dies gilt jedoch nur in Regionen mit kalten Wintermonaten. In mediterranen Lebensräumen ist sie hingegen vermehrt im Winter aktiv und hält einen Sommerschlaf.
Territoriales Verhalten und Reviergröße: Die Haselmaus gilt als ausgesprochen ortstreu. Telemetrische Studien aus England zeigen, dass die zurückgelegte Strecke in einer Nacht im Mittel nur zwischen 143-156 m liegt. Die größte überwundene Distanz betrug 393 m. Nicht zu unterschätzen sind vertikale Bewegungen in der Strauch- und Baumschicht. So klettern sie pro Nacht rund 17 m auf- bzw. abwärts, wobei einzelne Individuen Höhenunterschiede von bis zu 51 m überwinden. Männchen entfernen sich in der Regel weiter von ihrem Nest als Weibchen. Während der Fortpflanzungszeit verhalten sich die Haselmäuse territorial. Das Revier männlicher Tiere ist mit 0,45 ha – 1 ha größer als jenes der Weibchen mit 0,14 – 0,8 ha und variiert in Abhängigkeit von der Verteilung der Nahrungsquellen und der Populationsdichte. Anzumerken ist, dass Haselmäuse übers Jahr gesehen zwar ein ausgedehntes Territorium benutzten, sich real jedoch je nach Saison und Nahrungsverfügbarkeit nur auf kleine Flächen aufhalten. Männchen gelten als weniger sesshaft und ihrer Reviere umfassen häufig Territorien vieler Weibchen. Ab Herbst können Haselmäuse wieder vermehrt in Gruppen angetroffen werden, wobei sich vorwiegend männliche und weibliche Tiere ein Nest teilen. Gelegentlich können dieselben Paare über mehrere Jahre beobachtet werden, was eine Bindung der Tiere vermuten lässt. Dafür sprechen ihre lange Lebenserwartung und die überlappenden Territorien beider Geschlechter. Adulte Tiere akzeptieren junge Haselmäuse und überwintern häufig mit ihnen im gleichen Revier. Wandern Jungtiere ab, so gründen die meisten (90 %) ihr eigenes Territorium im Umkreis von wenigen Hundert Metern vom Geburtsort entfernt. Früh im Jahr geborene Jungtiere wandern weiter (800 – 1.200 m) als im Herbst geborene 400 – 600 m). Weibchen sind sesshafter und legen kürzer Distanzen zurück als Männchen. Die weiteste Abwanderung wurde bei einer männlichen Haselmaus mit 3.300 m dokumentiert (Juškaitis, 2008)
Kommunikation und Orientierung: Im Gegensatz zum Siebenschläfer (Glis glis) und anderen Bilchen, gilt die Haselmaus als wenig lautfreudig und verfügt über ein geringes Lautinventar. Für den Menschen hörbar sind ein leises, langgezogenes »ziiip« während des Aufwachens aus dem Winterschlaf bzw. Torpor, Pfeiftöne von Jungtieren bei Unbehagen sowie Schmerz- und Ranzlaute. Der überwiegende Teil ihrer Kommunikation findet im Ultraschallbereich statt, wobei Laute durch die Nase mit geschlossenem Maul abgegeben werden. Der häufigste Ruf ist ein Pfiff, welcher zur Verständigung weit entfernter Artgenossen angewandt wird. Über die Orientierung der Haselmaus ist wenig bekannt. Der Sehsinn ist nicht besonders ausgeprägt. Ihr Geruch- und Hörsinn ist hingegen gut entwickelt. Unklar ist die Verwendung von Duftmarken zur Orientierung.
Nest: Eine Besonderheit ist der regelmäßige Bau frei stehender, fein verwobener Kugelnester. In der Nähe von genutzten Nahrungsquellen befinden sich im Sommer 3 bis 6 Nester pro Individuum in bis zu 10 m Höhe. Je nach vorhandenem Material und Zweck werden Grasnester, Blatt- oder Laubnester (trockene und frische Blätter mit geringem Grasanteil), Mischnester und Schichtnester zur Jungenaufzucht (eine äußere Schicht aus Laub und eine innere aus feinen pflanzlichen Materialien) unterschieden. Gelegentlich besitzen die Nester einen schalenförmigen Unterbau, welcher entweder aus einem verlassenen Vogelnest besteht, oder selbstständig aus Pflanzenmaterial konstruiert wurde. Der Durchmesser eines Sommernests beträgt 6 – 12 cm, wobei die Wurfnester der Weibchen 10 – 15 cm erreichen können. Ähnliche Kugelnester werden der Zwergmaus (Micromys minutus) gebaut. Das für den Winterschlaf angefertigte Nest besitzt eine deutlich dickere Seitenwand als das Sommernest und besteht aus mehreren konzentrischen Lagen aus trockenen Blättern, Grashalmen und Moos. Nicht nur die ausreichende Isolation des Nests ist maßgebend um die kalte Jahreszeit zu überstehen, auch der Standort ist von Bedeutung. Die Haselmaus baut die Nester bevorzugt an einem kühlen Platz am Boden – damit erreicht sie den Erhalt einer stabilen Temperatur sowie die notwendige Feuchtigkeit um ein Austrocknen zu verhindern. In ihrem Winternest legt sie keine Nahrungsvorräte an. Findet sie in ihrem Lebensraum ausreichend Totholz, nutzt sie auch Baumhöhlen als Standorte für ihre Tagesnester. Einige Studien lassen vermuten, dass sie diese schützendere Quartiere bevorzugt. Sowohl freistehende als auch in Höhlen angelegte Nester sind von gleicher, kugelrunder Bauart.
Im Vergleich zu anderen Nagetieren besitzt die Haselmaus ein geringes Fortpflanzungspotenzial. Nur wenige Weibchen (maximal rund ein Drittel) haben in einem Jahr zwei Würfe. Als Ausnahmeerscheinung treten drei Würfe infolge niedriger Populationsdichte und hoher Nahrungsverfügbarkeit auf. Die Hauptpaarungszeit der Haselmaus liegt im Mai und zwischen Ende Mai und Anfang Juni werden die meisten Jungtiere geboren. Die Fortpflanzungssaison erstreckt sich jedoch über ihre gesamte aktive Phase. Kurz nach ihrem Winterschlaf finden die ersten Paarungen statt, sodass in einigen Regionen wie in Moldawien bereits zu Maibeginn Jungtiere geboren werden. In nördlichen Vorkommen oder in Gebirgsregionen werden Würfe ab Mitte Mai bis Mitte Juni dokumentiert. Einjährige Weibchen bekommen später Nachwuchs als ältere, wobei im August/September bis spätestens Oktober, die letzten Geburten stattfinden. Diese Jungtiere haben es bedeutend schwerer, da sie rasch Fettreserven für den Winterschlaf anlegen müssen. Nur bei einem langen, trockenen und warmen Herbst überleben sie den kommenden Winter. Wurfzeiten variieren nicht nur nach ihrem Verbreitungsgebiet, sondern auch zwischen den Jahren in derselben Region. Die Tragzeit beträgt 22 – 25 Tage, danach kommen durchschnittlich 3 bis 6 Junge zur Welt. Nach 20 – 25 Tagen nehmen die Jungtiere feste Nahrung zu sich und verlassen zum ersten Mal das Nest. Nach weiteren 10 Tagen sind sie selbstständig und die Familie löst sich langsam auf. Ob sich Haselmäuse noch im selben Jahr fortpflanzen, ist umstritten. In verschiedenen Ländern (Russland, Schweiz, Deutschland, Rumänien) werden Einzelfälle von Würfen diesjähriger Weibchen berichtet und in Litauen können Würfe von früh geborenen 60 – 80 Tage alten Jungtieren regelmäßig beobachtet werden.
Die Populationsgröße variiert mit der Jahreszeit und beträgt bei günstigen Lebensräumen 8 – 10 Individuen pro Hektar. Im Allgemeinen ist diese jedoch wesentlich niedriger und liegt durchschnittlich bei 3,5 I/ha. Im Frühling erreicht sie ihr Minimum (gelegentlich weniger als 1 Individuum pro Hektar) bevor die Dichte bis zum Herbst ansteigt. Eine überlebensfähige Population benötigt eine bewaldete Fläche von rund 20 ha, wobei Lücken in der Vegetation bereits eine Barriere darstellen und das Zu- und Abwandern von Tieren erschweren. Die Haselmaus kann 4 – 6 Jahre alt werden. Eine Population besteht meist aus 67 – 70 % ein Jahr alten, 22 – 23 % zwei Jahre alten, 5 – 8 % drei Jahre alten 1 – 4 % vier bis sechs Jahre alten Tieren. Besonders hoch ist die Sterblichkeit während eines milden Winters. Die warmen Temperaturen führen zu häufigen und länger andauernden Wachphasen, in denen manche Tiere mitunter auch ihr Nest verlassen oder diese sogar wechseln. Solche Unterbrechungen des Wintersch.
Da der Haselmaus wie allen Bilchen ein verlängerter Blinddarm fehlt, kann sie nur schwer Zellulose verdauen. Die leicht erreichbaren Nahrungsquellen wie Blätter, Bast und Wurzeln kann sie deshalb ausschließlich in kleinen Mengen verzehren. Die Haselmaus ernährt sich daher vielseitig je nach Angebot ihres Lebensraums und Jahreszeit: Im Frühjahr nutzt sie Knospen, Pollen, Blüten, junge Blätter und Insekten. Im Sommer und Herbst ergänzt sie ihren Speiseplan mit Wildkirschen, Brombeeren, Himbeeren, Heidelbeeren, Blattläusen und Raupen, Haselnüssen, Bucheckern, Hainbuchennüssen, Eicheln, Eschen- und Ahornsamen. Was sie aber tatsächlich frisst, hängt vor allem von der Verfügbarkeit ab: Nahrung, die nicht weiter als 70 Meter vom Nest entfernt ist, wird bevorzugt verzehrt.Da die Tiere für den Winterschlaf Fettreserven anreichern müssen, ist ihr Nahrungsbedarf im Herbst besonders hoch. Vorräte werden weder in den Sommer- noch in den Winternestern angelegt. Häufig beobachte Ansammlungen von Samen in Nestboxen, können in der Regel der Gelbhalsmaus (Apodemus flavicollis) zugeordnet werden.
In Konkurrenz steht die Haselmaus vorwiegend mit jenen Arten, die ihr limitierende Ressourcen wie Haselnüsse und Baumhöhlen streitig machen. Dies trifft insbesondere auf in Höhlen brütende Vögel und in der Strauch- und Baumschicht lebende Nagetiere zu. Andere Bilcharten, Gelbhalsmaus und Waldmaus (Apodemus sylvaticus), Rötelmaus (Myodes glareolus) und Eichhörnchen (Sciurus vulgaris) gelten dabei als Hauptkonkurrenten. Innerhalb der Bilche können am häufigsten Siebenschäfer und Haselmaus im selben Habitat beobachtet werden. Steigt die Populationsdichte von Siebenschäfern stark an, werden Haselmäuse meist in weniger artenreiche Lebensräume verdrängt und ihre Anzahl geht zurück. Ähnliches scheint bei einem Vorkommen des Gartenschläfers (Eliomys quercinus) zuzutreffen.
Zum Schutz vor Fressfeinden besitzt die Haselmaus wie alle Bilche die Fähigkeit zur falschen Schwanzautotomie: Wird sie beim Schwanz gepackt, reißt die Schwanzhaut und sie kann fliehen. Wieder in Sicherheit nagt sie den nackten Schwanzteil ab, welcher vertrocknet und abfällt. An der Bruchstelle wachsen schwarze oder weiße Haare nach. Haselmäuse werden vorwiegend von nachtaktiven Prädatoren, insbesondere von im Wald jagenden Arten wie dem Waldkauz (Strix aluco) oder dem Raufußkauz (Aegolius funereus), erbeutet. Aber auch Schleiereulen (Tyto Alba), Waldorheulen (Asio otus), Steinkäuze (Athene noctua), Uhu (Bubo bubo), Sperlingkäuze (Glaucidium passerinum) und Habitskäuze (Strix uralensis) verzehren Haselmäuse. Innerhalb tagaktiver Vögel gelten Greifvögel wie Busard (Buteo buteo), Sperber (Accipiter nisus) und Lannerfalke (Falco biarmicus) als Fressfeinde. Steinmarder (Martes foina), Wildkatze bzw. in Siedlungsnähe Hauskatze (Felis sylvestris), Rotfuchs (Vulpes vulpes), Wolf (Canis lupus) Baummarder (Martes martes) und Dachs (Meles meles) fressen Haselmäuse. Einige davon erbeuten überwinternde Haselmäuse. Besonders Wildschweine werden verdächtigt, aktiv nach an der Bodenoberfläche schlafenden Tieren zu suchen. Innerhalb der Reptilien konnten Kreuzotter (Vipera berus) und Aspisviper (V. aspis) beim Verzehr einer Haselmaus beobachtet werden.
Als eine Art der frühen Waldsukzessionsstadien wirkt sich besonders der Rückgang der schonenderen Mittel- und Niederwaldbewirtschaftung nachteilig auf das Vorkommen der Haselmaus aus. Zudem wurden naturnahe Wälder durch Nadelholzforste und einheitliche Altersklassenwälder ersetzt. So fehlen ihr heute oftmals die als Nahrungsquelle und zum Schutz benötigten lichtdurchfluteten Bereiche mit ausgeprägter Kraut- und Strauchschicht. Mit zunehmender Verschlechterung ihres Lebensraums weichen Haselmäuse auf Waldränder und Gebüschreihen aus, welche jedoch in den letzten Jahrzehnten aufgrund landwirtschaftlicher Interessen ebenfalls merklich reduziert wurden. Verbliebene Flächen eignen sich häufig nicht mehr für den Erhalt einer stabilen Population und der Verlust von Habitatverbindungen führt zur Verinselung bestehender Vorkommen. Die Haselmaus wird daher heute in den Roten Listen der Schweiz als „gefährdet“ und in der Liste Deutschlands mit Vermerk einer „Gefährdung unbekannten Ausmaßes“ geführt.
Die Haselmaus ist sowohl durch die Berner Konvention (Anhang III) als auch durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Anhang IV) geschützt. Eine Beeinträchtigung der streng geschützten Art ist nach europäischem Recht grundsätzlich nicht zulässig. Da für Haselmäuse zudem ein Tötungs- und Störungsverbot gilt, muss vor unvermeidbaren Eingriffen sichergestellt werden, dass keine Individuen wissentlich getötet werden. Neben dem Erhalt von Flächen mit artenreichen Laubgehölzen ist die Schaffung geeigneter Habitate eine effektive Möglichkeit der Haselmaus vor Ort zu helfen: So sollten Flächen mit Waldverjüngung, strukturreiche Waldränder und Heckenlandschaften gefördert werden. Um das Wachstum einer Kraut- und Strauchschicht zu begünstigen, sollten Wälder ohne Unterholz gelichtet werden. Bright & Morris (2005) empfehlen eine Strauchschicht, bei der von einem Standort aus der sichtbare Bereich im Sommer in alle Richtungen weniger als 20 m beträgt. Ist der Wald jedoch mit 50–100 Meter freier Sicht einsehbar, sollten Maßnahmen zur Förderung des Unterwuchses ergriffen werden. Um das Nahrungsangebot zu verbessern, können nach Juškaitis & Büchner (2010) folgende Sträucher und Bäume gefördert werden: Wald-Geißblatt (Lonicera periclymenum), Brombeere (Rubus fruticosus), Faulbaum (Frangula alnus), Weißdorn (Crataegus monogyna), Hasel (Corylus avellana), Schlehe (Prunus spinosa), Eberesche (Sorbus aucuparia), Eiche (Quercus robur und Q. petraea), Hainbuche (Carpinus betulus) und Buche (Fagus sylvatica). Besonders wertvoll ist hier der Faulbaum als wichtige Grundlage zum Aufbau der Fettreserven für den Winterschlaf.
Weitere Info:
- Die Haselmaus in der Land- und Forstwirtschaft: Praxistaugliche Empfehlungen für ihren Erhalt in der Kulturlandschaft (Broschüre von apodemus – Institut für Wildtierbiologie & HBLFA Raumberg Gumpenstein)
- Haselmausfreundliche Gestaltung und Pflege von Hochstaudensäumen und Hecken (Naturschutzbrief 242, S. 8-10)
- Resch, S. & Resch, C. (2022): Haselmausfreundliche Gestaltung und Pflege von Hochstaudensäumen und Hecken, Naturschutzbrief 242: 8-10.
- Resch, S. & Resch, C. (2021): Population dynamics and nest site selection of the Hazel dormouse Muscardinus avellanarius in Austrian Alps shrubby deciduous woodland habitats. apodemus Online-Publishing 1: 1–5.
- Resch, S. & Resch, C. (2021): Die Haselmaus in der Land- und Forstwirtschaft: Praxistaugliche Empfehlungen für ihren Erhalt in der Kulturlandschaft. apodemus – Privates Institut für Wildtierbiologie & HBLFA Raumberg Gumpenstein, Wiener Neudorf.
- Resch, C. & Resch, S. (2020): Feldgehölzstreifen für einen gefährdeten Kleinsäuger im Alpenvorland – Die Haselmaus (Muscardinus avellanarius). ÖKO‑L 42: 14–16.
- Resch, S. & Blatt, C. & Slotta-Bachmayr, L. (2015): Populationsdichte und Habitatnutzung der Haselmaus Muscardinus avellanarius in einem Niedermoor. Joannea Zoologie 14: 5–23.
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- Resch, S. & Blatt, C. (2012): Haselmäuse. Natur und Land 2: 40–43.
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Autoren: Dr. Christine Resch & Dr. Stefan Resch
Zitiervorschlag: Resch, C. & Resch, S. (2023): kleinsaeuger.at – Internethandbuch über Kleinsäugerarten im mitteleuropäischen Raum: Körpermerkmale, Ökologie und Verbreitung. apodemus – Institut für Wildtierbiologie, Haus im Ennstal.