Ondatra zibethicus

Bisam (Ondatra zibethicus)


Name: Ondatra zibethicus (Linnaeus, 1766); Bisam (D); Muskrat (E)
Internationaler Schutz:  international nicht geschützt
Größe: Kopf-Rumpf: 250–350mm; Hinterfuß: 60–80mm; Schwanz: 200–250mm; Gewicht: 800–1600g
Fell: dicht mit 14.000–16.000 Haaren pro cm², weich und glänzend; Rücken: rot-braun, Flanken: heller, Bauchunterseite grau – weiß mit leicht braunem Farbton.
Augen/Ohren: Augen klein und relativ hoch am Kopf liegend; Ohren im Fell versteckt und mit einer Hautfalte verschließbar
Schwanz: Körperlang, 150 Schwanzringe, beschuppt, gering behaart, seitlich abgeflacht und mit Mittelkiel
Verbreitung: Urspünglich Neoarktische Verbreitung mit Vorkommen in Nordamerika und Kanada; In Europa seit 1905, heute in West- Zentral und Nordost-Europa; Österreich: in ganz Österreich; Deutschland: in ganz Deutschland; Schweiz: entlang des Rheins, aktuelle Ausbreitung in die Ostschweiz und Mittelland; Mehr Info: GeoMaus-Karte. Seine Höhenverbreitung erstreckt sich bis 1.200 m, mit Schwerpunk in der planar/kollin und submontane Höhenstufe.
Lebensraum: stehende und fließende Gewässer, Reviergröße: 3000 – 5000 m²; 1–2 Paare pro Hektar bzw. 10 Individuen pro Flusskilometer, bei hohen Dichten 50–60 Individuen pro Hektar
Lebenserwartung: 3, selten 4 Jahre, in Gefangenschaft bis 10 Jahre; Jungensterblichkeit: 60 %
Ähnliche Arten: Als größte Wühlmaus (Arvicolina) leicht zu erkennen, vor allem der beschuppte, körperlange Schwanz ist sehr charakteristisch.
Sytematik: Ordnung: Nagetiere (Rodentia) → Unterordnung: Mäuseverwandte (Myomorpha) → Überfamilie: Mäuseartige (Muroirdea) → Familie: Hamster- und Wühlmausartige (Cricetidae) → Unterfamilie: Wühlmäuse und Lemminge (Arvicolinae) → Gattung: Bisam (Ondatra)

Ein Pelztier auf der Flucht

Der Bisam, oft fälschlicherweise auch Bisamratte genannt, ist die größte Wühlmaus (Arvicolinae) weltweit. Die aus Nordamerika stammende Wühlmaus wurde 1905 zur Pelzzucht aus dem östlichen Kanada nach Europa eingeführt. Aus den Farmen entkommene Tiere besiedelten innerhalb von nur 50 Jahren erfolgreich einen Großteil Eurasiens. Bereits sechs Jahre nach dem Beginn der Farmhaltung erreichten die ersten Individuen die obere Moldau bei Krumau und Friedberg. Im Jahr 1912 erfolgte der erste Nachweis in Österreich bei Herzogsdorf im Mühlviertel und ab 1985 gilt seine Besiedelung als abgeschlossen.

Lebensraum

Der Bisam ist an Wasserflächen gebunden und besiedelt sowohl stehende als auch fließende Gewässer mit guter Deckung bzw. Nahrungsverfügbarkeit. Typische Lebensräume sind nährstoffreiche Teiche, Kleinseen, Flussauen, Kanäle und Verlandungszonen. Ein möglichst gleichbleibender Wasserstand ist wichtig um Feinden des Bisam keinen Zugang zum Bau zu ermöglichen. Mit Steinen und Beton verbaute Ufer, im Winter stark vereiste und durch hohe Schwankungen des Wasserstandes gekennzeichnete Gewässer meidet der Bisam ebenso wie windexponierte Flächen ohne Röhrichte.

Lebensweise

Aktivität und Fortbewegung: Der Bisam führt ein hauptsächlich dämmerungs- und nachtaktives Leben, wobei die Tagaktivität bei ausreichender Deckung zunimmt. Der zirkadiane Rhythmus der Tiere besitzt Aktivitätsmaxima am Morgen und Abend. Im Winter verlässt er seinen Bau nur während der Dunkelheit. Zum Schwimmen und Tauchen benutzt der Bisam die Hinterbeine, wobei der Schwanz als Steuer dient. Aber auch sein dichtes Fell mit 14.000 – 16.000 Haaren pro cm² und einer möglichen Apnoe von bis zu 20 Minuten sind Anpassungen an das Leben im Wasser. In der Regel taucht er nicht länger als 5 Minuten, wobei er keine Luftblasen abgibt, um seinen Standort nicht zu verraten. Auch das Auf- und Abtauchen passt er den Wellenbewegungen an und zum Luftholen reicht meist nur die Nase aus dem Wasser. Während des Schwimmens legt er seine kleineren Vorderpfoten in die Halsgrube und lässt sich durch eine abwechselnde Bewegung der Hinterpfoten nach vorne treiben. Der Bisam ist in der Lage auch unter Wasser zu fressen: Dies ist möglich, da sich die gespaltene Oberlippe beidseitig der oberen Nagezähne nach unten ziehen lässt und zugleich Lippenwülste die Mundhöhle verschließen. Die beiden Unterkiefer sind nur knorpelig miteinander verbunden und mit Muskeln gegeneinander beweglich, was ihnen eine ähnliche Funktion wie eine Pinzette gibt.

Territoriales Verhalten und Reviergröße: Je nach Nahrungsangebot und Populationsdichte liegt die Reviergröße zwischen 3000 – 5000 m². Der Aktionsraum ist größer, wird jedoch nicht aggressiv gegenüber Artgenossen verteidigt. Gegen Ende des Sommers gibt der Bisam sein Revier auf und lebt in Familiengruppen. Diese bestehen aus bis zu 8 Tieren, welche sich in der Regel aus adulten Tieren mit deren Nachwuchs aus den letzten 2 Würfen zusammensetzt, wobei sich auch ausschließlich erwachsene Tiere zusammenschließen können. Mit gemeinsamen Schlafnestern verringern die Tiere im Winter die Gefahr des Erfrierens. In der Fortpflanzungszeit bilden sich dann wieder Paare, welche anschließend ihr neues, kleineres Revier aggressiv gegenüber Artgenossen verteidigen. Besonders heftig und unter Umständen sogar tödlich verlaufen die Kämpfe zwischen Männchen. Mit seiner Lebensweise ist der Bisam in der Lage rasch Gebiete zu kolonisieren. Größere Bewegungen von mehreren Tieren werden meist von Überschwemmungen, Populationswachstum oder bei Nahrungsmangel ausgelöst. Die Ausbreitung erfolgt zwar vorwiegend entlang von Fließgewässer, es werden jedoch auch vom Gewässer über mehrere Kilometer entfernte Teiche besiedelt. Dabei können Barrieren wie Straßen und Bahnlinien überwunden werden. Rund ein Drittel der abwanderten Bisame, legt Distanzen von 5 km zurück, ein Siebzehntel bis zu 15 km. Im kleineren Umfang treten Wanderungen auch zwischen einem Winter- und einem Sommerquartier auf.

Kommunikation: Bei Gefahr warnt der Bisam mit Aufschlagen des Schwanzes auf die Wasseroberfläche seine Artgenossen. Zur Verteidigung ihres Reviers drohen Bisame durch schnelles Aufeinanderschlagen der Schneidezähne, was einem lauten Schmatzen gleicht. Ihr Revier markieren Männchen mit einem nach Moschus riechenden Sekret, welches als optisches und olfaktorisches Warnsignal für Artgenossen des gleichen Geschlechts dient.

Bau: Je nach Jahreszeit und Lebensraum legt der Bisam unterschiedliche Baue an: Uferbaue und Burgen (Großburgen, Mutterburgen, Satellitenburgen, Fraß- oder Atemburgen, Einzel- oder Stationsburgen). Uferbaue sind selten mehr als 20 Meter vom Gewässer entfernt. Dem unter dem Wasserspiegel befindlicher Eingang folgt eine große Höhle. Von diesem Wohnkessel mit einem Durchmesser von 40 cm und einer Höhe von 20 cm schließen weitere Laufwege und Sackgassen an. Senkrechte Gänge dienen der Durchlüftung. Die ins Freie führenden Gänge können auch von Jungtieren als Ausgänge genutzt werden. Ein Uferbau kann bis zu 12 Eingänge besitzen. Bisamröhren erreichen meist einen Durchmesser von 15 – 20 Zentimeter.
Wenn ein Graben nicht möglich ist, wie zum Beispiel bei flachen Ufern, legen Bisame stumpfe, kegelförmige Burgen mit einer Länge von bis zu 4 m und einer Höhe von bis zu 2 m an. Als Vorrausetzung für die Anlage gilt eine ganzjährig vorhandene Wassertiefe von 15 – 60 cm. Um die Burg vor Absinken und Verdriften zu schützten, verankert der Bisam diese am Gewässergrund. Im Gegensatz zum Biber verwendet er keine Äste als Baumaterial, sondern bevorzugt Schilf und Rohkolben. Der Zugang erfolgt über eine bogenförmige Röhre. An der höchsten Stelle wird ein 14 – 35 Zentimeter breiter Kessel durch Drehbewegungen des Körpers errichtet. In »Großburgen« leben bis 40 Bisame in mehreren Kesseln mit jeweils einer Tauchröhre. Wohnburgen, in denen nur ein Weibchen mit ihrem Nachwuchs lebt, werden als »Mutterburgen« bezeichnet. Zu dieser Zeit bewohnen das Männchen und die Jungtiere des letzten Jahres sogenannte „Satellitenburgen“ in der unmittelbaren Umgebung. Daneben gibt es auch noch »Futter- oder Atemburgen«. Diese dienen zur kurzen Rast mit Nahrungsaufnahme bzw. werden im Winter zum Auftauchen aus dem gefrorenen Gewässer verwendet. Unverpaarte, einjährige Tiere erstellen häufig Einzelburgen, die als Wohn- oder Stationsburg dienen, und meist nur ein halbes Jahr, selten zwei Jahre bestehen. Großburgen und Mutterburgen können hingegen bis über fünf Jahre genutzt werden. Durchschnittlich bauen Bisame 8,5 Burgen pro Hektar.

Fortpflanzung und Population

Die Fortpflanzung beginnt im März und endet im September, wobei die meisten Jungtiere nur bis Juni geboren werden und mehr als 3 Würfe selten sind. In milden Wintern kann auch eine Wintervermehrung auftreten. Zur Paarbildung fordert das Weibchen das Männchen zum sogenannten Paarungsschwimmen auf. Das Männchen quäkt während dieser Verfolgungsjagd in Form eines Ü-Rufes und markiert nach der Verpaarung im Wasser das Fell des Weibchens mit einer Duftspur aus Moschussekret. In einem gut gepolsterten Wurfkessel, der im Sommer nie weniger als 18 °C misst, wirft das Weibchen nach einer Tragzeit von 22 – 30 Tagen 4 – 8 Jungtiere. Nach 4 Wochen öffnet das Weibchen den Bau durch einen senkrechten Gang und die Jungtiere können, ohne Gefahr einem Raubfisch zum Opfer zu fallen, beginnen die Oberfläche zu erkunden. Sind die Tiere älter, wird diese Röhre wieder geschlossen und sie folgen dem Muttertier im Wasser. Die Jungtiere sind bis zum 4 – 5 Lebensmonat verträglich und bleiben in Kontakt. Mit einem Gewicht von 400 – 600 g sind sie schließlich häufig im Wasser zu beobachten. Nach dem fünften Lebensmonat und dem Erreichen der Geschlechtsreife suchen sie sich ein neues Revier in der Nähe des Baues der Eltern. Weibchen nehmen gelegentlich noch im selben Sommer an der Fortpflanzung teil. Tiere mit einem Gewicht von 900 – 1000 Gramm gelten als erwachsen.
In gut geeigneten Lebensräumen leben pro Hektar 1 – 2 Paare. Die Dichte kann jedoch auch wesentlich höher liegen und bis zu 50 – 60 Individuen pro Hektar erreichen. An Fließgewässer leben bei guten Voraussetzungen im Sommer rund 10 Individuen pro Flusskilometer.

Nahrung

Der Bisam ernährt sich je nach Angebot von Getreide, Raps, Obst, Gemüse, verschiedenen Kräutern, Baumrinden und Schilf. Bei eigenen Fress- und Nahrungswaschplätzen werden größere Pflanzenteile vom Schlamm befreit. Sein Nahrungsbedarf beträgt zwischen 400 und 700 g pro Tag. Von Schilfhalmen werden nur die Blattspitzen gefressen, der überwiegende Teil findet als Baumaterial Verwendung. Viele zurückgelassene, abgebissene Pflanzenteile auf der Wasseroberfläche können auf die Anwesenheit eines Bisam hinweisen. Während der Jungenaufzucht oder einem Mangel an pflanzlicher Nahrung geht der Bisam zu tierischer Nahrung wie Schnecken, Fischen, Krebsen und Insekten über. Im Winter deponiert der Bisam Nahrung unter der Eisdecke oder unter Eisschollen.

Konkurrenz und Feinde

In Hinblick auf seine Ausbreitung scheint er in Europa konkurrenzlos zu sein. Bei hohen Populationsdichten von Wasserschermaus (Arvicola amphibius), Wanderratte (Rattus norvegicus), Biber (Castor fiber) und Nutria (Myocastor coypus) besteht eine Konkurrenz um Ressourcen. Zu den natürlichen Fressfeinden des Bisams zählen vor allem Hechte (Esocidae) und Füchse (Vulpes vulpes). In seinem Ursprungsland ist er eine wichtige Nahrungsquelle des Minks (Neovison vison) dar.

Gefährdung und Schutz

Die intensiven Grabtätigkeiten des Bisams bereichern die Gewässer und bieten vielen der durch menschlichen Einfluss verdrängten Tier- und Pflanzenarten neue Lebensräume. So werden zum Beispiel Burgen von vielen Vogelarten als Brutplätze verwendet, dienen dem Fischotter und Vögeln als Ruheplätze und beherbergen häufig Wasserspitzmäuse (Neomys fodiens). Aufgelichtete Stellen im Röhricht werden von Watvögeln (Limikolen) zur Nahrungssuche genutzt. Verlassene Baue werden wiederum von Wasserschermäusen (Arvicola ampbibius) und Wanderratten zur Jungenaufzucht verwendet. In der Kulturlandschaft können Bisame an Dämme mit hohen Wasserständen oder mit starker Belastung, wie durch Fahrzeuge, Schäden verursachen. Trotz lokalen Bekämpfungsmaßnahmen, erweist sich der Bisam als robust und konnte sich in den letzten Jahrzehnten erfolgreich vermehren und verbreiten.

Literatur
  • Jenrich, J., Löhr, P.-W., Müller, F. (2010): Kleinsäuger: Körper- und Schädelmerkmale, Ökologie Reihe: Beiträge zur Naturkunde in Osthessen (Hrsg. Verein für Naturkunde in Osthessen e.V.). Michael Imhof Verlag, Fulda.
  • Long, J. L. (2003): Introduced mammals of the world: Their history, distribution and influence. CABI Publishing, Wallingford.
  • Pietsch, M. (1982): Ondatra zibethicus (Linnaeus, 1766) – Bisamratte, Bisam. In Handbuch der Säugetiere Europas: Nagetiere II. Hrsg.: J. Niethammer & F. Krapp, S. Aula Verlag, Wiesbaden.
  • Quéré, J. P., & Le Louarn, H. (2011): Les rongeurs de France: Faunistique et biologie. Editions Quae, Versailles.
  • Schüring, A. (2011): Der Bisam (Ondatra zibethicus), ein Erfolgsmodell. Rodentia, Nr.59, S. 64-65.
  • Spitzenberger, F. (2001): Die Säugetierfauna Österreichs Reihe: Grüne Reihe des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Band 13. Austrian Medien Service, Graz.
  • Wendelspiess, M. (1995): Ondatra zibethicus (L. 1766). In Die Säugetiere der Schweiz: Verbreitung, Biologie und Ökologie. Hrsg.: J. Hausser, Band 103, S. 344-348. Birkäuser Verlag, Basel.
  • Mitchell-Jones, A. J., Amori, G., Bogdanowicz, W., Kryštufek, B., Reijnder, P. J. H., Spitzenberger, F., Stubbe, M., Thiessen, J. B. M., Vohralik, V., & Zima, J. (1999): The atlas of European Mammal. Academic Press, London.
  • Grimmberger, E. (2014): Die Säugetiere Deutschlands. Quelle & Meyer, Wiebelsheim.
  • Allgöwer, R. (2005): Bisamratte (Bisam) Ondatra zibethicus (Linnaeus, 1766). In: Die Säugetiere Baden-Württembergs (Hrsg.: M. Braun & F. Dieterlen). Band 2, 342-349. Ulmer, Stuttgart.

Bestimmungshilfe: Aus der Entfernung ist es oft schwierig Biber (Castor fiber), Bisam (Ondatra zibethicus) und Nutria (Myocastor coypus) sicher zu erkennen. Doch bei näherer Betrachtung können die Arten gut anhand ihres Aussehens (insbesondere Größe und Schwanzform) und ihrer Spuren unterschieden werden: Biber, Bisam oder Nutria?

Autoren: Dr. Christine Resch & Dr. Stefan Resch
Zitiervorschlag: Resch, C. & Resch, S. (2023): kleinsaeuger.at – Internethandbuch über Kleinsäugerarten im mitteleuropäischen Raum: Körpermerkmale, Ökologie und Verbreitung. apodemus – Institut für Wildtierbiologie, Haus im Ennstal.

kleinsaeuger.at