Spermophilus citellus

Ziesel (Spermophilus citellus)

Name: Spermophilus citellus (Linnaeus, 1766); Europ. Ziesel (D); Europ. ground squirrel, Europ. souslik (E)
Internationaler Schutz: FFH-Richtlinie (Anhang II und IV) und Berner Konvention (Anhang I und II)
Größe: Kopf-Rumpf: 180-220 mm; Hinterfuß: 33-43 mm; Schwanz: 31-90 mm; Gewicht: 150-380 g.
Fell: Rücken: sandfarben-gelbgrau mit leichter Sprenkelung, Bauch einfarbig hellgrau-grauweiß.
Augen/Ohren: sehr kurze Ohren, Augen: hell umrandet und hoch am Kopf liegend.
Schwanz: dicht behaarter schwanz, 30 % der Kopf-Rumpf-Länge, an der Spitze dunkler.
Verbreitung: Endemisch in Europa: 2 große Vorkommen: Pannonische Tiefebene und Umgebung sowie im SO der Karpaten, daneben weitere isolierte Kleinvorkommen Bsp. in Ostdeutschland; Österreich: Nordostösterreich; Deutschland: Vorkommen in Sachsen (Osterzgebirge) erloschen, seit 2006 Wiederansiedelungsversuche; Schweiz: kein Vorkommen ; Mehr Info: GeoMaus-Karte. Die Höhenverbreitung erstreckt sich vom Tiefland bis in 2.500 m Höhe, wobei Vorkommen in D und AUT unter 600 m Höhe liegen.
Lebensraum: trockene, wärmebegünstigte Standorte mit steppenähnlicher Vegetation. Populationsdichten je nach Habitateignung zwischen 18-48 Individuen pro Hektar und 5-14 I/ha.
Lebenserwartung: bis 8 Jahre in Gefangenschaft .
Ähnliche Arten: Es besteht keine steht keine Verwechslungsgefahr
Systematik: Ordnung: Nagetiere (Rodentia) → Unterordnung: Hörnchenverwandte (Sciruromorpha) → Familie: Hörnchen (Sciuridae) → Unterfamilie: Erdhörnchen (Xerinae)  → Stamm: Echte Erdhörnchen (Marmotini)  → Gattung: Ziesel (Spermophilus) → Untergattung (Spermophilus)

Lebensraum

Das oder der Ziesel bewohnt wärmebegünstigte Gebiete mit steppenähnlicher Vegetation. Wälder und feuchte Standorte werden gemieden. Gute Abflussmöglichkeiten von Wasser und ein niedriger Grundwasserspiegel sind Vorrausetzungen für das Vorkommen einer Kolonie, da sonst Gang- und Bausysteme geflutet werden. Mager- und Halbtrockenrasen mit regelmäßiger Beweidung sowie Heu- und Streuwiesen stellen die bevorzugten Lebensräume des Ziesels dar. So lebten Ziesel früher vor allem auf Hutweiden und Trockenrasen sowie Brachäcker und kleineren Ackerflächen. Mit Einstellung der Viehwirtschaft, Förderung von Weinbau und monotoner Landwirtschaftsformen wird es heute häufig auf suboptimale Standorte verdrängt. So bewohnen sie Pferdekoppeln, Truppenübungsplätzen, Umspannwerke, Campingplätze und Fabrikgelände. Einige Kolonien passten sich den neuen Gegebenheiten an und tolerieren Sträucher und Bäume sowie eine höhere Grasschicht in ihrem Habitat. Auf Äcker ist das Ziesel nur periodisch zu finden, wobei Felder mit Luzernenbewuchs bevorzugt werden. Entscheidend für das Vorkommen von Ziesel sind eine geschlossene Bodenbedeckung von mindestens 70 %, gehölzfreie bis -arme Vegetation, eine Grashöhe von 10 – 20 cm, seltene oder fehlende Bodenbearbeitung, ein niedriger Grundwasserspiegel und tiefgründige Böden mit einer Mindesthöhe von 1,5 m.

Lebensweise

Aktivität und Fortbewegung: Das tagaktive Ziesel kann von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang beobachtet werden. Nach dem Aufwachen verhalten sich die Tiere ruhig und erkunden ihre Umgebung. Sind keine Gefahren erkennbar, verlassen sie ihren Bau und beginnen zu fressen. Im Sommer verschwinden sie während der Mittagshitze in ihre kühlen Baue. Die Tiere sind sehr flink und verfolgen das Nahen eines potentiellen Feindes bis zum letzten Augenblick vor ihrem Baueingang, bevor sie rasch in diesen fliehen. Charakteristisch für Ziesel ist das »Männchen Machen«, um eine bessere Übersicht zu gewinnen.

Winterschlaf: Der Zeitpunkt des Winterschlafes hängt vom Alter und Geschlecht der Tiere ab und dauert von August/September/Oktober bis März/April. Mit sinkender Temperatur und bei ausreichender Anlage von Fettreserven leiten die Tiere den Winterschlaf ein. Alte Männchen schlafen in der zweiten Augustwoche. Weibchen folgen in der ersten Septemberwoche und Jungtiere bleiben bis Ende Oktober aktiv. Den Winterschlaf verbringen die Tiere alleine in ihrem unterirdischen Nest. Die Körpertemperatur sinkt im Tiefschlaf auf 3 – 5 Grad. Im März, wenn die Temperatur des Erdbodens Plusgrade erreicht, erwachen die älteren Männchen. Weibliche Ziesel sind erst 20 Tage später aktiv. Im Vorjahr geborene Jungtiere erwachen zuletzt.

Territoriales Verhalten und Reviergröße: Das Ziesel lebt in Kolonien, wobei jedes Tier seinen eigenen Bau besitzt, von dem es sich gewöhnlich nicht weiter als 60 – 80 m entfernt. Während der Fortpflanzungszeit sondern die Tiere ein stark riechendes Sekret in der Nähe des Baueingangs ab, welches mitunter der Markierung des Baues und des Aktionsraums dient. Der Aktivitätsradius variiert mit dem Nahrungsangebot und der Populationsdichte. So können bei Nahrungsmangel Entfernungen von Hunderten Metern zurückgelegt werden. Die Tiere verweilen einige Zeit an diesen Standorten und legen Schutzbaue an.

Kommunikation: Mit schrillem Pfeifen werden Artgenossen vor Gefahren gewarnt.

Bau: An der Oberfläche ist ein Zieselbau gut an den kreisrunden bis hochovalen 5 – 7 cm breiten Eingangslöchern zu erkennen. Von diesen »Ziesellöchern« führen oberirdische Laufwege zu Fluchtbauen und Nahrungsquellen. Beim Graben lockert das Ziesel mit den Vorderbeinen und zum Teil mit den Zähnen die Erde auf. Angefallenes Material wird unter den Bauch durchgescharrt und mit den Hinterpfoten aus dem Bau geworfen. Von einem 4 Meter langen Haupteingang zweigen mehrere Seitengänge ab. Anzahl und Länge dieser Seitengänge nehmen mit dem Alter des Tieres zu. Selten sind jedoch mehr als 6 zu finden. Insgesamt besitzt ein Bau bis zu 5 Zugangslöcher. Einzelne Zugänge werden gelegentlich zum Schutz vor Fressfeinden auf einer Strecke von rund 35 cm mit Sand zugeschüttet. Im Gegensatz zu dem Verschließen der Eingänge vor dem Winterschlaf befindet sich diese Blockade nicht direkt beim Zugang, sondern liegt 57 cm dahinter. Dieser Platz wird vermutlich zum Schutz vor Greifvögel freigehalten. Die Nestkammer ist mit Heu ausgepolstert. Kot und Harn werden in einer gesonderten Kammer abgesetzt. Die Baue sind bei tiefgründigen Böden bis 2 m tief, im Gebirge oft nur 1 m. Neben diesen Dauerbaue legt das Ziesel Schutzbaue an, in denen die Tiere bei Gefahr flüchten oder kurz ruhen. Diese bestehen aus einer 20 cm langen und 5 – 7 cm weiten abwärts laufenden Gang. Werden die Baue häufiger genutzt, sind sie meist länger und besitzen ein Nest in einer 16 – 25 cm breiten Kammer.

Fortpflanzung und Population

Die Fortpflanzung beginnt nach dem Winterschlaf im März und dauert bis Mai. Zu dieser Zeit sind Ziesel nur wenig aufmerksam gegenüber Fressfeinde und können leicht erbeutet werden. Während der Paarungszeit bekämpfen und jagen sich männliche Tiere. Sie sind stets auf der Suche nach Weibchen und umwerben diese, indem sie ihre Schnauze an ihr reiben, schwungvoll über sie hinweg springen oder sich in Seitenlage drehen. Das Männchen bleibt dabei so lange beim Weibchen, bis dieses ihm nach einigen Tagen den Zugang in ihrem Bau erlaubt. Einige Tage nach der Begattung verlässt das Männchen den Bau und umwirbt ein anderes Weibchen. Nach einer Tragzeit von 25 Tagen werden 6 – 8 Junge geboren. Verlässt das Weibchen das Nest, werden die noch nackten Ziesel mit trockenem Nestmaterial zugedeckt. Nach 10 Tagen bewohnt das Muttertier einen Nachbarbau mit eigenem Nest, kehrt aber regelmäßig zurück um ihre Jungen zu säugen. Sie säubert die Jungen bis zum 12 Tag, danach lecken sich die Jungtiere selbst ab. Nach 21 Tagen fressen sie Grünfutter, welches von der Mutter ins Nest gebracht wird. Beginnen die Jungtiere ihre Umgebung an der Oberfläche zu erkunden, werden sie nicht länger vom Muttertier umsorgt. Der Nachwuchs wandert infolge rund 200 – 500 ab und bezieht verlassene Baue. Selten können auch weitere Strecken von bis zu 800 m auf der Suche nach einem neuen Revier zurückgelegt werden. Junge Ziesel sind sehr vorsichtig und bleiben meist in der Nähe ihres Baues, wo sie bei Warnrufen anderer Ziesel rasch verschwinden. Mit einem Lebensjahr sind die Weibchen fortpflanzungsfähig.
Da Ziesel nur einmal im Jahr Junge zur Welt bringen, ist die Dichte am Ende der Fortpflanzungszeit am höchsten und nimmt danach kontinuierlich ab. Die Populationsdichte variiert stark und reicht von 18 – 48 Individuen pro Hektar an gut geeigneten Standorten bis 5 – 14 I/ha auf Bergwiesen. Mehr als die Hälfte der Population setzt sich aus einjährigen, im Vorjahr geborenen Tieren, zusammen. Rund ein Viertel beträgt der Anteil an zweijährige Ziesel. Der Rest wird von dreijährigen und älteren Tieren dominiert.

Nahrung

Die Nahrung besteht aus Kräutern, Gräsern, Klee, Luzerne, Löwenzahn, Getreide und anderen Samen. Kulturpflanzen wie Mais, Sonnenblumen, Weizen, Gerste, Roggen, Hafer und Hirse, Rüben und Luzerne werden ebenfalls gerne gefressen. Insekten in Form von Heuschrecken, Käfer und Raupen nehmen einen Anteil von rund 15 % ein. Kleine Wirbeltiere werden nur selten verzehrt. Die Nahrung wird meist vor dem Baueingang gefressen oder zu Jungtieren in den Bau getragen. Vorräte werden nicht angelegt.

Konkurrenz und Feinde

Schwarzmilan (Milvus migrans), Sakerfalke (Falco cherrug) Zwergadler (Hieraaetus pennatus), Östliche Kaiseradler (Aquila heliaca), Mäusebussard (Buteo buteo) und Weihen (Circus) sowie weitere Greifvögel zählen zu den Fressfeinden der Ziesel. Innerhalb der Säugetiere werden sie häufig vom Mauswiesel (Mustela nivalis), dem Europäischen Iltis (Mustela putorius), dem Steppeniltis (Mustela eversmanii) und dem Tigeriltis (Vormela peregusna), von Mardern (Martes) und Fuchs (Vulpes vulpes) erbeutet. Für Kolonien auf Parkanlagen und Spielplätzen stellen freilaufende Hunde eine Gefahr dar.

Gefährdung und Schutz

Das Ziesel ist vor allem durch Lebensraumverlust bedroht. Brachliegende Flächen, Weiden und Magerwiesen werden zunehmend in Ackerland umgewandelt. Noch verbliebene Habitate sind von Verbuschung, Aufforstung und Vergrasung betroffen. Die Tiere werden daher häufig in suboptimale Habitate wie Fußball-, Golf-, Camping- oder Amateurflugplätzen verdrängt und sind dort von der Toleranz der menschlichen Nutzer abhängig. Einzelne Kolonien sind häufig durch Straßen und intensiver Landnutzung isoliert, sodass keine Zuwanderung von Tieren möglich ist. In der Roten Liste Deutschlands wird das Ziesel bereits als ausgestorben Art geführt. In Österreich gehen die Bestände seir den letzten 20 – 30 Jahren infolge der Umstellung der Landwirtschaft drastisch zurück. Heute gilt es als stark gefährdet. Ziesel sind international durch die Berner Konvention (Anhang I und II) und die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (Anhang II und IV) streng geschützt.

Literatur
  • Grimmberger, E. (2014): Die Säugetiere Deutschlands. Quelle & Meyer, Wiebelsheim.
  • Hauer, S. & Feiler A. (2009): Europäisches Ziesel Spermophilus citellus (Linnaeus, 1766). In: Atlas der Säugetiere Sachsens (Hrsg.: S. Hauer, H. Ansorge & U. Zöphel). 208-210. Sächsischen Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Dresden.
  • Hut, R. A., & Scharff, A. (1998): Endoscopic observations on tunnel blocking behaviour in the European ground squirrel (Spermophilus citellus). Zeitschrift für Säugetierkunde, 63, 377-380.
  • Mitchell-Jones, A. J., Amori, G., Bogdanowicz, W., Kryštufek, B., Reijnder, P. J. H., Spitzenberger, F., Stubbe, M., Thiessen, J. B. M., Vohralik, V., & Zima, J. (1999): The atlas of European Mammal. Academic Press, London.
  • Ruzic, A. (1978): Citellus citellus (Linnaeus, 1766) – Der oder das Europäische Ziesel. In Handbuch der Säugetiere Europas: Rodentia I Hrsg.: J. Niethammer & F. Krapp, S. 123 -144. Akademische Verlagsgesellschaft: Wiesbaden.
  • Spitzenberger, F. (2001): Die Säugetierfauna Österreichs Reihe: Grüne Reihe des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Band 13. Austrian Medien Service: Graz.
  • Schmelzer, E. & Herzig-Straschil, B. (2013): Ziesel, Feldhamster und Ährenmaus im Burgenland. Naturschutzbund Burgenland, Eisenstadt (Landesmuseum.at: Online pdf).

Autoren: Dr. Christine Resch & Dr. Stefan Resch
Zitiervorschlag: Resch, C. & Resch, S. (2023): kleinsaeuger.at – Internethandbuch über Kleinsäugerarten im mitteleuropäischen Raum: Körpermerkmale, Ökologie und Verbreitung. apodemus – Institut für Wildtierbiologie, Haus im Ennstal.